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Snack Attack

Snack Attack

Interview erschienen in: FRISCH Magazin 1 /2020
Fotos: Heuer Ziegenkäsesalat (c) HEUER am Karlsplatz

Wie essen wir morgen und was heißt das für die Gastronomie heute? Frisch sprach mit Zukunftsforschern, Gastrounternehmern und Restaurantbetreibern über Snackification, den Stellenwert von gesundem Essen und Produktqualität.

Glaubt man dem aktuellen Food Report, steht uns das Ende der richtigen Mahlzeiten bevor. Laut Trendforscherin Hanni Rützler und dem Zukunftsinstitut lösen Minimahlzeiten das traditionelle Muster aus Frühstück, Mittag- und Abendessen ab. „Die stete Veränderung der Werte, Sitten, Strukturen und Rituale unserer Gesellschaft lässt sich an Food-Trends deutlich ablesen“, meint sie: „So zeichnet sich auch unser mobiles und flexibles Leben in unseren Essgewohnheiten ab, wie der Trend der Snackification zeigt“, betont die Ernährungswissenschaftlerin. 

Laut Food Report 2020 strukturieren also nicht mehr die Essenszeiten unseren Alltag, sondern wir passen unsere Essgewohnheiten dem mobilen und flexiblen Leben an. Hinzu kommt ein neues Bewusstsein: „Gemüse spielt immer öfter die Hauptrolle und Convenience sowie Fast Food müssen gesund sein“, so Rützler. Neuartige Gastrokonzepte rund ums gesunde und hochwertige Snacking verändern daher in letzter Zeit immer häufiger das Angebot klassischer Restaurants und Handelsunternehmen. Rützler: „Snacks lösen mehr und mehr auch die traditionelle Speisenfolge auf. Der strikte Glaube an die Dreieinigkeit von Vorspeise, Hauptgang und Dessert macht Platz für kreativere und offenere Essmöglichkeiten.“ Gegessen wird heute überall, oft im Vorbeigehen und spontan. 

Naturally Fast Good

Kein Wunder also, dass sowohl gesundes Frühstück als auch vegetarische Burger, Ramen und Bowls boomen. Wichtig dabei: Das Essen soll zwar schnell verfügbar, aber nicht ungesund sein. So stehen bei den neuen Minimahlzeiten vegetarische und vegane Produkte im Vordergrund. Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchte, Tofu, Nüsse, Kräuter, Pilze und Samen sind gefragt. Fleisch und Fisch verlieren ihre zentrale Rolle. Und der Genuss ist gleichzeitig auch an Werte gebunden. Das heißt, es sollten fair gehandelte und nachhaltige Lebensmittel von hoher Qualität sein.

In England ist dieser Trend längst in der Gastronomie angekommen. So gründeten John Vincent, Henry Dimbleby und die Köchin Allegra McEvedy bereits 2004 die Restaurantkette LEON. Laut Eigenaussage: „Weil wir es unseren Mitmenschen einfacher machen wollten, unterwegs gut und gesund zu essen.“ Ungesagt bleibt, dass das Konzept in seiner Umsetzung stark an die Mitbewerber von McDonalds, Kentucky Fried Chicken & Co. erinnert. Denn die Grundlage ist zwar eine englische Variante gesunder, mediterraner Ernährung. Doch wie bei allen Schachtelwirten wurde hier eine Handvoll Gerichte entwickelt, die auch ungeschulte Mitarbeiter schnell zubereiten und über den Tresen schieben können. Selbst Chicken Nuggets gibt es, natürlich glutenfrei! Abschauen kann man sich als normaler Gastronom, der den Snackification-Trend für sich nutzen möchte, also zweierlei: Einerseits, dass es gilt, Gerichte zu kreieren, die sich vom Einerlei der Konkurrenz abheben, mit denen das Servicepersonal aber keine Probleme hat, wenn in Randzeiten die Küche nicht besetzt ist. Andererseits, dass gesundes, vegetarisches oder veganes Essen mittlerweile ein riesiges Umsatzpotenzial darstellt, wenn man es gut verkauft. Die britische Kette hält derzeit bei 63 Restaurants in Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Gran Canaria, der Schweiz und sogar in den USA. Bei der Expansion hilft das perfekte LEON Marketing, das aktuelle Foodtrends clever aufgreift – etwa auf der Speisekarte: Schnöde Falafel werden da als „Vegan Sweet Potato Falafel Hot Box“ angepriesen. Dass Falafel immer vegan sind, sollte eigentlich klar sein. Wer es trotzdem dazuschreibt, spricht eine spezielle Zielgruppe direkt an. Außerdem sind Süßkartoffeln gerade eine gehypte Trendknolle. Wer dann bei der Kaffeebestellung noch gesagt bekommt, der sei aus fair gehandelten Bohnen, darf sich gut fühlen. Alles richtig gemacht also.

Die Mürbteigschiffchen von Patlairs werden vor den Augen der Kunden im Food Truck befüllt. Künstliche Aromen oder Konservierungsstoffe verwendet die Gründerin Giovanna Müller aus Prinzip nicht.Pâtlairs in verschiedenen Sorten (c) Pâtlairs

Die Mürbteigschiffchen von Patlairs werden vor den Augen der Kunden im Food Truck befüllt. Künstliche Aromen oder Konservierungsstoffe verwendet die Gründerin Giovanna Müller aus Prinzip nicht.

Pâtlairs in verschiedenen Sorten (c) Pâtlairs

Pâtisserie für die Strasse

Doch funktioniert ein solches Fast-Food- und Snack-Konzept auch abseits der Hochfrequenzlagen in den urbanen Zentren? Das ist der deutschen Konditormeisterin Giovanna Müller egal. Sie fährt mit ihrem Foodtruck einfach genau dorthin, wo´s brennt. Auf Plätzen, vor Bürogebäuden oder in Einkaufsstraßen bietet sie dann ihre Pâtlairs an. Das ist sowas wie Highend-Pâtisserie für die Straße. Denn die kleinen, kunstvoll verzierten Mürbteigschiffchen, mit Mousse au Chocolat oder Baiser passen auf die Hand und haben so ideale Snackmaße. Müller hat damit wohl die Streetfood-Patisserie erfunden und bekommt dafür viel Lob von Kollegen und Medien. Ihre Pâtlairs werden in einem Foodtruck direkt vor den Augen der Kunden zubereitet und verkauft. Die Verpackungen, Servietten und To-go-Becher sind natürlich zu 100% recyclebar und es werden garantiert keine Konservierungsstoffe verwendet. Giovanna Müller: „Das Konzept kommt sehr gut an. Durch die Live-Pâtisserie im Anhänger hat jeder die Möglichkeit, direkt mitzuerleben, wie das von ihm bestellte Pâtlair zubereitet wird.“ Den Trend zur Snackification nutzt Müller also nicht nur, weil sie für ihr Produkt eine Form und eine Größe entwickelt hat, bei der Teller und Kuchengabel überflüssig werden und sich garantiert weder Völlegefühl noch Post-Verzehr-Reue einstellt. Sie bedient auch die Lust am Zuschauen. Ein weiterer Punkt, den erfolgreiche, moderne Snack-Konzepte für sich nutzen. Sich auch als Wirtshaus Gedanken über Portionsgrößen und den Showeffekt bei der Zubereitung von Minigerichten am Tresen zu machen, kann also lohnend sein, wenn der Aufwand nicht zu groß ist. Meist reicht es schon, sich ein paar Ideen für das Anbringen von Garnituren einfallen zu lassen. Oder Kuchen und Nachspeisen kleiner zu portionieren, anders zu präsentieren und wenigstens ein oder zwei süße Versuchungen vom Ende der Speisekarte auf die vorderen Seiten zu holen. 

Die my Indigo-Restaurants in Salzburg, Innsbruck, München und Linz verstehen sich als “Natural Engergy Kitchens”.  myIndigo (c) Soulkitchen Group

Die my Indigo-Restaurants in Salzburg, Innsbruck, München und Linz verstehen sich als “Natural Engergy Kitchens”.
myIndigo (c) Soulkitchen Group

Österreichische Energyküche

Dass auch österreichische Gastronomen den Trend früh erkannt haben, zeigt das Franchise-Gastrokonzept my Indigo der Soulkitchen-Gruppe, das nun schon seit einigen Jahren mit Restaurants in Salzburg, Innsbruck, München und Linz erfolgreich ist. Die my Indigo Stores verstehen sich als „Natural Energy Kitchens“ und wollen gesund, vielseitig und ideal für alle sein, die wenig Zeit haben, sich aber trotzdem hochwertig ernähren möchten. Die Speisekarte ist bewusst breit angelegt: Sushi, Salate, Currys und Suppen, Couscous oder Reis, Bio-Brownies, Fair-Trade-Kaffee und Bio-Säfte stehen zur Auswahl. Dabei kann nach Belieben gemischt und kombiniert werden. Ein wichtiges Angebot, denn die Gäste snacken nicht nur lieber, sie pochen bei der Bestellung auch stärker auf ihre Individualität. 

Kai Heep ist seit zehn Jahren als Geschäftsführer für das my Indigo-Konzept verantwortlich. Damit die Umsätze stimmen, sind aus seiner Sicht frische vegetarische und vegane Gerichte Pflicht. Das Angebot sollte außerdem lieferservicetauglich sein, also nach bis zu 30 Minuten Lieferzeit noch warm oder knackig ankommen. Lange Zubereitungszeiten sind bei my Indigo auch deshalb tabu. Damit diese schnelle Küche funktioniert, bietet der Gastraum rasche Orientierung. Die Gäste müssen schnell erfassen können: Was gibt es? In welcher Preisrange bewegt sich das Lokal und wie funktioniert der Prozess? Heep: „Eine geschlossene Küche entspricht meiner Meinung nach nicht mehr dem Zeitgeist.“ 

Auf einen herkömmlichen Gastraum kann ein solches Konzept nur bedingt umgelegt werden. Doch im Prinzip geht es auch dort darum, schon beim Betreten klar zu zeigen, dass ein schneller Snack möglich ist. Der Schankbereich könnte etwa vergrößert werden und zusätzliche Sitzgelegenheiten direkt an der Bar entstehen. Daraus wird praktischerweise gleich ein Puffer für Stoßzeiten, wo Gäste bei einem Glas auf einen freiwerdenden Tisch warten können. Denn: „Der Zeitfaktor ist nach wie vor stärker ausgeprägt als der Faktor der gesunden Ernährung“, glaubt Heep: „Im Zweifel wählt man die naheliegendste Alternative, welche nicht immer die gesündeste ist.“ 

Mit “Fat Monk” hat die DoN group ein Deli Bowl-Franchisekonzept entwickelt, dass derzeit seine erste Filiale am Westbahnhof hat. Weitere werden folgen. The Fat Monk (c) DoN group

Mit “Fat Monk” hat die DoN group ein Deli Bowl-Franchisekonzept entwickelt, dass derzeit seine erste Filiale am Westbahnhof hat. Weitere werden folgen.
The Fat Monk (c) DoN group

Der schnelle Mönch

Doch trotz dieser Tendenz zur kulinarischen Gewohnheit bei den Gästen: Mit dem Snacken geht auch der Trend zur Individualisierung von Auswahl und Bestellung einher. Es soll nicht nur gesund sein und schnell gehen, moderne Gäste wollen auch das Gefühl haben, dass alles ganz speziell für sie persönlich zubereitet wird. Ein Idealbeispiel, wie man auf dieses Bedürfnis eingeht, ist Fat Monk – Deli Bowls der DoN group von Josef ¬Donhauser am Wiener Westbahnhof. Österreichs größter Caterer betreibt dort seit 2018 die erste Filiale eines Franchise-Konzepts, das seinen kulinarischen Schwerpunkt auf individualisierbare „Buddha Bowls“ setzt. Kunden können sich ihre Bowls in fünf Schritten selbst zusammenstellen. Ausgehend von einer Basis, wie etwa Reis oder Quinoa, werden Proteine wie Huhn, Fisch, Rindfleisch oder Tofu ausgewählt, Vitamine in Form von warmen Veggies ergänzt und zum Schluss mit Saucen und Toppings abgerundet. 

Dass sich Konsumationszeiten und Aufenthaltsdauer von Gästen bereits verändern, ist auch für Josef Donhauser klar bemerkbar: „Nach wie vor erkennen wir Peaks, jedoch verschwimmen die Grenzen mehr und mehr. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste reduziert sich drastisch." Dementsprechend werden Konzepte wie Take-away und Zustellung mehr und gerne angenommen. Konsequenz dieser wachsenden Konkurrenz für herkömmliche Gastronomiebetriebe: Sie müssen sich überlegen, wie auch sie ihr Angebot individualisieren können. Sich verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, kürzere Zubereitungsarten und geeignete Portionsgrößen für saisonale Hauptzutaten zu überlegen, ist ein Weg. Die Speisekarte generell modularer zu gestalten, ein anderer. Beilagen sollten dafür generell separat angeboten werden und frei wähl- und kombinierbar sein. Und im Idealfall funktioniert das über den ganzen Tag hinweg im Rahmen einer kleineren Snack-Karte, um von den veränderten Konsumationszeiten zu profitieren. Denn die sieht auch Donhauser als grundsätzlich positiv: Dadurch, dass die Spitzenzeiten nicht mehr so stark gegeben sind, profitieren wir von einer ausgeglicheneren Auslastung.“

Das HEUER am Karlsplatz überzeugt seine Gäste mit lokalen und frischen Zutaten, die selbst eingelegt werden.  HEUER Regalwand (c) HEUER am Karlsplatz

Das HEUER am Karlsplatz überzeugt seine Gäste mit lokalen und frischen Zutaten, die selbst eingelegt werden.
HEUER Regalwand (c) HEUER am Karlsplatz

Eine regionale Stadtoase 

Ein Restaurant, das es schafft, über den ganzen Tag verteilt eine gute Auslastung hinzubekommen, ist das Heuer am Karlsplatz in Wien. Das liegt natürlich unter anderem daran, dass das Lokal mitten in Wien und direkt neben einer Universität liegt. Doch auch hier hat man sich eine Menge einfallen lassen, um den kleinen Hunger zwischendurch bedienen zu können. Regionales Gemüse von Kleinbauern kommt beispielsweise aus dem Heuer-Regal. Dort wird öffentlichkeitswirksam und zudem sehr dekorativ mitten im Lokal allerlei Eingelegtes im Glas gehortet. Aus den Gefäßen entnimmt das Team einfach die Zutaten für Gerichte wie „Eingelegt & fermentiert“, bei dem Austernpilze, Kimchi, Salzgurken, Sauerkraut, Melanzani, Paradeiser, Kürbis und Chioggia-Rübe mit Cayennepfeffer, Hummus, Oliven und Lehmofenfladen serviert werden. Klassiker wie der Heuer-Burger werden außerdem den ganzen Tag bis spät in die Nacht zubereitet und für Kuchen und Tarteletts gibt es – ganz alte Schule – eine Vitrine. In Kombination mit einer großen Sonnenterrasse und einem Top-Kaffee- und Getränkeangebot heißt das, dass das Heuer auch die große Konkurrenz vom nahen Naschmarkt nicht fürchten muss. Denn obendrein ist die Qualität einfach besser als bei den Snackbuden und Kettenbäckern rundherum. Andreas Wiesmüller, Geschäftsführer des Heuer am Karlsplatz: „Frische, Regionalität und Lebensmittelqualität sind immer der zentrale Punkt unseres Konzeptes. Es muss auch außerhalb der Haubengastronomie möglich sein, mit erstklassigen Zutaten zu kochen. Wir stellen diesbezüglich auch eine höhere Sensibilität der Gäste betreffend Qualität, Zutaten und Zubereitung fest.“ 

Wer Wiener Schnitzel und Krautfleckerl an einem Abend essen will, muss in die Feinkosterei. Hier kann man sich durch klassische Gasthausküche in Tapasportionen kosten. Tapas in der Feinkosterei (c) Feinkosterei

Wer Wiener Schnitzel und Krautfleckerl an einem Abend essen will, muss in die Feinkosterei. Hier kann man sich durch klassische Gasthausküche in Tapasportionen kosten.
Tapas in der Feinkosterei (c) Feinkosterei

Tapas-Entertainment

Echte Gasthäuser und Restaurants haben bei hohem Qualitätsanspruch also trotz Snackification große Chancen bei den Gästen. Das zeigt auch die Feinkosterei mit ihrem durch und durch österreichischen Ansatz. Daniel Hirschmann, Geschäftsführer der Schwarz • Hirsch Event & Gastronomie GmbH, liebt Tapas-Bars. Damit die kleinen Häppchen aus Spanien aber besser zu seinem Unternehmen und in die österreichische Hauptstadt passen, hat er das Konzept „auf Österreichisch“ übersetzt. Hirschmann: „Ich glaube, dass es als Gastronom wichtig ist, ein Thema für sich herauszusuchen und dieses dann perfekt umzusetzen. Zu uns kommen die Gäste, eben weil es österreichische Tapas gibt. Das bekommen sie nirgends anders. Wir machen ausschließlich Tapas und verwaschen unser Konzept nicht.“ Die Gäste merken das. Die Feinkosterei ist deshalb derzeit immer ausgebucht. Sie zieht außerdem viele Touristen an, die so die österreichische Küche auf einmal durchkosten können. Original Wiener Schnitzel, Rindergulasch oder Kärntner Kasnudeln kommen in Kleinstportionen alle in die Mitte des gemeinsamen Tisches und werden zusammen verkostet. Ein Erfolg ganz ohne Zukunftsforschung, sondern mit Konsequenz plus gastronomischer Qualität und Gespür, denn: „In Bezug auf die Feinkosterei kann ich sagen, dass ich das Lokal nicht gemacht habe, weil ich glaube, dass kleinere Portionen, Snacks und schnelles Essen immer wichtiger werden, sondern lediglich weil ich glaube das Entertainment beim Essen wichtig ist. Und viele kleinere Portionen sind mehr Unterhaltung als eine große Portion. Vielleicht ist ja auch das der Grund, warum immer mehr Gäste mehr als dreimal am Tag essen gehen möchten. 

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