Das Digitalkreativranking 2017
Vollständige Geschichte erschienen in: update 1 / 2018
update zeichnet heuer bereits zum sechsten Mal mit dem
DIGITAL-KREATIVRANKING österreichische Kreativität aus und zum fünften Mal die Auftraggeber, die diese Arbeiten möglich machen. Eines ist den Siegern gemein: guter Content ist King – denn es ist bei allen Gewinnern ein Sieg der Kreation, der guten Ideen und schlauen Geschichten
Zeiten ändern sich. Denn ging es zu Beginn dieses Rankings vor sechs Jahren noch darum, zu zeigen, welche Agenturen und Auftraggeber sich nachweislich ausgezeichnet mit den ver-gleichsweise jungen und vor allem auch technischen Möglichkeiten auseinandersetzen, sind digitale Anwendungen heute nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Das Smartphone ist als täglicher Begleiter Zeitung, Lexikon, Berater, Kamera, Walkmen, Diktafon, Uhr, Telefon, Anrufbeantworter, Fernseher, Flugticket, Ernährungsberater oder Fitnesscenter. Für Menschen, die in der Kommunikationsbranche leben und ar-beiten, gehört eine hohe Nutzungsfrequenz und persönliche Neugier sowieso berufsbedingt dazu. Philip Hartmann, Head of Digital Marketing, Samsung E-Kassa an und zieht sich natürlich bis hin zum Onlineshopping durch.“ Und der Fantasie sind bei der Nutzung keine Grenzen gesetzt. So würde zum Beispiel Jakob Würzl, Creative Director bei Virtual Identity, mittlerweile ungern auf seinen Pet Tracker verzichten: „Seitdem ich ihn besitze, kann ich meine Schildkröte im Sommer jeden Tag am Grundstück frei herumlaufen lassen, abends orten und wieder ins Haus holen.“ Es sind Ideen wie diese, die das Leben nicht nur leichter, sondern auch erfreulicher und interessanter machen. Und so ist ein gemeinsamer Nenner aller ausgezeichneten Arbeiten, Agenturen und Unternehmen zwingend die Kreativität.
KREATIVITÄT ALLEIN IST ZU WENIG
Kreativität reicht aber in der digitalen Welt noch lange nicht. Denn in ihr gibt es ein massives Überangebot, die Aufmerk-samkeitsspanne ist kurz und man ist als Marke auch genauso schnell weggewischt wie angeklickt. Jene Kampagnen und Arbeiten, die 2017 überzeugen konnten, konnten alle mehr als nur auffallen: Sie boten den Konsumenten gute und glaubwürdige Geschichten und Inhalte. So entwickelte der diesjährige Sieger des Digital-Kreativrankings, Vir-tue, für Heineken ein Projekt, das er „Ridentity“ nannte. Dabei wurde ein Fahr-rad mit handgefertigten Teilen aus jedem Wiener Bezirk als urbanes Fortbewe-gungsmittel kreiert, zum (digitalen) Gesprächsthema und schaffte es in der r ealen Welt sogar in das Museum für angewandte Kunst (MAK). Die Firmenschwester Vice, gemeinsam mit Virtue auf Platz eins, brachte für T-Mobile mit „Techno ab Hof“ eine Content-Kampagne über angesagte Jugendkulturen in das ländliche Nirgendwo. Der Zweitplatzierte, Demner, Merlicek & Bergmann, machte mit einem Display-Banner für seinen Autokunden die „BMW Gesture Control“ des 7er-BMW auf digitalen Devices für potenzielle Kunden erlebbar. Und Nummer drei, Virtual Identity, sorgte mit der Social-Media-Kampagne „Der Schlepperkönig“ für die Seenotrettung Sea-Eye für gewollte Aufregung, tatsächliche Auseinandersetzung mit einem gern verdrängten Thema und erhöhtes Spendenaufkommen. Alle Topplatzierten hatten Kunden, die Digital leben, ernst nehmen und ihre Kommunikationsbudgets entsprechend einsetzen. So sind beim Auftraggeber-Digital-Kreativranking mit T-Mobile, Samsung oder BMW alte Bekannte mit eindeutigen Digitalstrategien top platziert. Die neu Dazugekommen schafften es durch außergewöhnliche und eben auch ausgezeichnete Kreativität ihrer Agenturen ganz nach vorne. Die intelligente Kreativität ihrer Kommunikation haben sie gemeinsam.
Um diese Agenturen und Unternehmen zu ermitteln, die mit ihrer außergewöhnlichen Kreation die Nase vorne hatten (die Wertung erfolgt von November 2016 bis Oktober 2017), wurden nationale und internationale Kreativ-Awards nach den besten österreichischen Digitalarbeiten gescannt, klassifiziert und die erfolgreichsten heimischen Digitalwerber und Unternehmen errechnet. Die Wertungstabelle für die Agenturen finden Sie ab Seite 30, die für die Unternehmen ab Seite 38. Wie das Ranking errechnet wird, ist im Kasten auf Seite 33 nachzulesen. Lesen Sie auf den nächsten Seiten, was die Top Five der Agenturen und die Top Five der Unternehmen zu ihren Platzierungen zu sagen haben.
Platz 1: Virtue + Vice -> SIEGERINTERVIEW
Platz 2: Demner, Merlicek & Bergmann
Demner, Merlicek & Bergmann konnte seinen Platz vom Vorjahr verteidigen und die Gesamtpunkteanzahl von letztjährig 343 auf aktuell 358 Punkte steigern. Für das gute Ergebnis waren Gold beim Golden Award in Montreux, zweimal Bronze beim Epica und 22 nationale Awards verantwortlich. Besonders erfolgreich waren dabei zwei Arbeiten für BMW. Alexandra Pytko, Head of Digital Demner, Merlicek & Bergmann: „Mit dem ‚BMW Animal Detecting Billboard‘ haben wir keine Werbung umge-setzt, sondern mittels Technologie eine Lösung für ein Problem im Straßenverkehr geschaffen. Bei ‚BMW Gesture Control‘ wollten wir die technische Raffinesse für alle erlebbar machen. Dafür haben wir ein Display-Banner kreiert, mit dem man – genau wie beim BMW 7er – mithilfe von einfachen Handbewegungen die Features live erleben konnte.“ Auf die Frage, was digitale Kreation im Idealfall kann, antwortet Pytko: „Lernen! Und somit Customer Centricity auf eine ganz andere Ebene tragen. Wenn Digital und Möglichkeiten von AI richtig genutzt werden, können wir in Echtzeit User identifizieren, analysieren und ihnen somit im richtigen Moment eine personalisierte Lösung anbieten. Digitale Kreation ist interaktiv, es entsteht ein Dialog zum Kunden. Sie ist länderübergreifend. Sie ist in Echtzeit. Und durch Einsatz diverser Technologien können Customer Experiences geschaffen werden.“
Platz 3: Virtual Identity
Virtual Identity hat sich 2017 systematisch nach vorne gearbeitet. Letztes Jahr noch auf Platz fünf, schafft es die Agentur heuer mit 265 Punkten auf Platz drei des Digital-Kreativrankings. Die Social-Media-Kampagne „Der Schlepperkönig“ für die NGO Sea-Eye brachte hier Gold beim Digital Communication Award, beim webAD und beim Media Award. Besonders an ihr war, dass sie zeigte, dass sich Menschen in sozialen Medien leichter über ein provokantes Game empören als über eine reale menschliche Tragödie mit 10.000 Toten. Das Targeting der Kampagne bewirkte, dass sich liberale und nationale Milieus in ihren Reaktionen gegenseitig verstärkten, was die gewollte Empörung zusätzlich steigerte. Für die außergewöhnliche Optik war, wie auch letztes Jahr bei „Falter Inferno“, Salon Alpin verantwortlich. Für Managing Director Amir Tavakolian ist Digitalkreation idealerweise näher am Menschen: „Da wir sie präziser ausspielen können, erreicht sie Menschen, die sich wirklich für sie interessieren. Und sie kann direkt Interaktionen der Menschen erzeugen, diese in Echtzeit aufgreifen und in manchen Fällen – wie bei unseren Arbeiten ‚Schlepperkönig‘ oder ‚Energiespar-Banner‘ – wieder in die Kreation einfließen lassen.“ Virtual Identity holte insgesamt 13 Awards. Ausgezeichnet wurde ebenso eine Influencer-Kampagne für die Österreich Werbung und das „Energiespar-Banner“ für Wien Energie.
Platz 4: Wild
Das Digital Branding Studio wild – der Letztjahresüberraschungssieger des Rankings – hat es auch diesmal weit nach vorne geschafft. Mit 262 Punkten liegt es nur knapp hinter Virtual Identity. Gold gab es beim ADC New York ebenso wie beim CCA. Zwei internationale und neun nationale Awards konnte die Agentur 2017 nach Hause holen. Die Kunden sind dabei durchaus außergewöhnlich. Ein Projekt war das Web-VR-Projekt „Konterball“, das wild gemeinsam mit dem Google Creative Lab in New York gemacht hat. Wild war dabei weltweit eines von zehn Studios, das die neu entwickelte Web-VR-Technologie von Google testen und verwenden durfte. Die Aufgabe war es, zu zeigen, was alles damit möglich ist. Die zweite Arbeit, die viel zur guten Platzierung beitrug, war die Kampagnenseite playinglynch.com für Squarespace und die David Lynch Foundation. Thomas Lichtblau, Managing Partner und Creative bei wild, über die Möglichkeiten, die Digital Kreativen bietet: „Es vereint viele Medien und pickt sich die coolen Dinge raus. Aber am interessantesten finde ich, dass man damit interagieren sowie auf einfachste Weise verändern und erleben kann. Sei es mit Bild, Video, Audio, Inhalt oder sogar mit Stimmungsänderung. Und die digitale Kreation entwickelt sich auch rasant weiter. Es sollte also, wenn man es richtig macht, nie langweilig werden.“
Platz 5: Jung von Matt / Donau
Jung von Matt/Donau hat 252 Punkte mit insgesamt dreizehn heimischen Awards erreicht und gibt sich gewohnt selbstreflektiert. Andreas Putz, Geschäftsführer Kreation Jung von Matt/Donau: „So sehr uns dieses Ergebnis freut, so entlarvend ist es auch für unsere Branche. Glauben wir wirklich, dass Menschen im Jahr 2018 noch zwischen digitaler und klassischer Kreativität unterscheiden? Wir erleben eine regel-rechte Kanalexplosion. Eine gute Idee entfaltet ihre Kraft über die Kanalgrenzen hinaus. Sie nimmt Menschen mit auf eine emotionale Reise. Kreativität setzt bei der Leitidee an. Die digitalen Kanäle helfen uns dabei, diese Idee neu und ungewöhnlich zu inszenieren. Aber oft auch, um einen thematischen Zugang zu schaffen beziehungsweise neu zu setzen, den es so früher nicht gegeben hätte. Insofern hat sich die Art, wie man über kreative Lösungen nachdenkt, geändert.“ Eine ausgezeichnete Arbeit, die Österreich im wahrsten Sinne des Wortes bewegt und viel für die Platzierung getan hat, war die „Mutig-In-Die-Neuen-Zeiten-Kampagne“ für den Bundespräsidentschaftswahlkampf. Der Spot mit Frau Gertrude für Van der Bellen hat Menschen berührt und mobilisiert – und war natürlich Teil einer kompletten Kampagne. Putz: „Neben einer präzisen Plakatkampagne haben wir die sozialen Medien genutzt, um Haltung zu zeigen und Fragen zu provozieren. Aber ist das jetzt ‚digitalkreativ‘ oder einfach nur zeitgemäße Kommunikation? Ich glaube, wir müssen aufhören, ‚Digital‘ als ein Mysterium zu sehen. Digitale Kanäle sind ein Mittel zum Zweck und müssen als ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit verstanden werden. Denn wir alle sind Kreative und Kunden zugleich und wir alle leben ‚digital‘.“