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Welche Stärken habe ich?

Welche Stärken habe ich?

Vollständiger Geschichte erschienen in:
ZWEI UND MEHR - Das Familienmagazin/Sommer 2020
Foto: © Marija Kanzizaj


Friseurin und Mechatroniker oder Kindergärtner und Polizistin? Talente sind nicht geschlechtsbezogen. Es gibt viele interessante Berufe. Ausprobieren lohnt sich.

Ende 2019 startete ein digitales Lernprojekt mit fast 1.200 Kindern der 3. Volksschulklasse an 39 Schulen und in 60 Klassen in Österreich. Ziel war, herauszufinden, wie Kinder ihre Leistungen und die der anderen in „typischen Buben- bzw. Mädchenfächern“ einschätzen. Heraus kam, dass bei den Burschen stereotypes bzw. geschlechtstypisches Rollendenken schon in der 3. Klasse Volksschule ausgeprägt ist. 84 % von ihnen dachten, dass ein Bursche in Mathematik auf Platz 1 ist. Tatsächlich war aber die Leistung in Mathematik und Deutsch bei den Buben und Mädchen sehr ähnlich. Mädchen waren in ihrer Schätzung bei Mathematik mit 54 % recht nah an der Wirklichkeit. Wenn Kinder schon in der Volksschule in typischen Rollenmustern denken, wie sollen sie dann später eine freie, ihren Stärken entsprechende Entscheidung für ihren Berufswunsch treffen?

Stärke hat nichts mit Geschlecht zu tun
Die Grazer Hochschulprofessorin Mag.a Dr.in Silke Luttenberger erklärt die Auswirkungen: „Wenn wir auf den Unterricht blicken, sehen wir in Forschungsergebnissen immer wieder Mathematik als ‚kritisches‘ Fach für Mädchen. Auch in unseren Ergebnissen. Obwohl Mädchen sich stärker für naturwissenschaftliche Themen und Berufe interessieren, schätzen sie ihre Fähigkeiten in Mathematik im Vergleich zu den Burschen schlechter ein. Schon am Ende der 2. Klasse Volksschule! Das kann dazu führen, dass sie bis ins Jugendalter das Interesse an solchen Aufgaben und Berufen wieder verlieren. Die Fragen sind also: Wie kann ich die Entwicklung von Interessen langfristig fördern und unterstützen? Welche Rolle haben dabei Rückmeldungen, die aus der Schule oder Familie kommen? Dabei spielt auch unsere Gesellschaft eine wichtige Rolle.“ Tatsächlich streben laut einer Studie von Silke Luttenberger und Manuela Paechter (2017) 74 % der Mädchen und 87 % der Burschen noch immer einen geschlechtstypischen Lehrberuf an. Die Top 3 der Lehrberufe bei Mädchen sind nach wie vor Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau sowie Friseurin und Perückenmacherin/Stylistin. Bei den Buben sind es Metalltechniker, Elektrotechniker und Kraftfahrzeugtechniker. Gleichzeitig beträgt die derzeitige Männerbetreuungsquote in Österreichs Kindergärten nur 1,3 %. Die Chance, in Volksschulen von einem Mann unterrichtet zu werden, liegt bei 7,5 %. Auch in Senioren- und Pflegeeinrichtungen sind männliche Pflegekräfte eine Minderheit. Die Interessen, Talente und Stärken der Kinder sind jedoch vielfältig und nicht geschlechtsgebunden. Automatisie-rungstechnikerin, Altenpfleger, Bauleiterin, Bürokaufmann, Fliesenlegerin, Kindergartenpädagoge, Mechatronikerin, Masseur, Straßenerhaltungsfachfrau, Sozialpädagoge, Polizistin – einen Beruf gibt es immer für Mädchen und für Burschen. Nicht entweder oder! Initiativen wie der „Girls’ Day“, „Girls’ Day Mini“ und „Boys’ Day“ setzen genau hier an. Sie alle sollen helfen, Rollenbilder aufzubrechen. Damit Kinder und Eltern neue Möglichkeiten kennenlernen. Wenn die eigenen Stärken im passenden Beruf eingesetzt werden können, dann ist ein guter Start in ein freudvolles Arbeitsleben gelungen. Denn: Eigenschaften wie Kreativität, Genauigkeit, handwerkliches Geschick, Verlässlichkeit oder Teamfähigkeit passen für viele Berufsbilder und nicht nur für „rollentypische“!

Schnuppern und ausprobieren:

GIRLS’ DAY
Beim Girls’ Day öffnen Institutionen und Betriebe in der ganzen Steiermark ihre Türen, damit Mädchen ihre Fähigkeiten und Talente erforschen können. Sie lernen dabei interessante Berufe kennen und können ihre Vor-stellungen über Berufe und Ausbildungen in technisch-handwerklichen, naturwissenschaftlichen Unternehmen mit der Realität abgleichen, um Rollenbilder aufzubrechen.

BOYS’ DAY
Der Boys’ Day möchte Burschen und junge Männer motivieren, auch Berufe im Bereich Pflege, Erziehung und soziale Arbeit zu ergreifen. Dabei lernen Burschen ab der 7. Schulstufe bei Gruppenexkursionen oder Einzel-schnupper-Aktivitäten diese Berufe an Arbeitsplätzen kennen, wo Männer bereits mit Kindern, kranken, sozial benachteiligten oder alten Menschen arbeiten.

„BRING DEIN KIND ZUR ARBEIT MIT“-TAG
Am „Bring dein Kind zur Arbeit mit“-Tag begleiten Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse Volks schule sowie der 7. Schulstufe ihre Eltern/Familien zum Arbeitsplatz. Gemeinsam erfahren sie, welchen Beruf die Erwach­senen ausüben, was zu tun ist und wie der Arbeitsplatz aussieht. Aufgrund der Corona-Situation müssen die Angebote entsprechend angepasst werden. Aktuelle Infos gibt es auf der BBO-Homepage des Landes Steiermark: www.bildungs-und-berufsorientierung.steiermark.at


Expertinnen-Meinung

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Mag.a Dr.in Silke Luttenberger ist Hochschulprofessorin und Lektorin.
(c) Foto Furgler

Mag.a Dr.in Silke Luttenberger ist Hochschulprofessorin für Pädagogische Psychologie in der Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule Steiermark sowie Lektorin an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Wie entwickeln Kinder und Jugendliche Interessen?
Interessen entwickeln sich durch gesammelte Erfahrungen. So lernt man, seine Fähigkeiten einzuschätzen – also kann ich ein Fahrrad reparieren oder ein Bücherregal bauen. Das einzuschätzen trägt zur Interessensentwicklung bei. Eine wichtige Rolle spielen hierbei auch Familie oder soziales Umfeld wie z. B. die Schule.

Wie wird aus einem Interesse ein Beruf?
Interessen entwickeln sich, wenn sich Personen als kompetent wahrnehmen. Also wenn sie glauben, dass die Leistung, die sie bringen können, zu einem guten Ergebnis führt (z. B. das Bücherregal steht stabil). Wenn ich mir mehr zutraue, habe ich auch höheres Interesse daran. Daraus entwickeln sich Berufswünsche und in weiterer Folge die Entscheidung für einen Beruf.

Welche Rolle spielt das soziale Umfeld bei der Interessens- und Berufswahl?
Eine sehr wichtige Rolle. Etwa dadurch, was in der Familie getan wird. Je mehr Erfahrungen Kinder in unterschiedlichen Bereichen sammeln, umso eher trägt das zur Interessensentwicklung bei. Nicht umsonst nennen Kinder häufig Berufswünsche, die sie aus der Familie oder dem sozialen Umfeld kennen. In einem unserer Projekte nennen 29 % der Kinder in der Volksschule einen Berufswunsch, den sie aus der Familie oder dem erweiterten Umfeld kennen. Einen immer stärkeren Einfluss spielen auch Medien: Fast ein Viertel der Kinder nennt einen Berufswunsch, den sie durch Medien – also Influencer oder YouTube – kennen.

Wie stark ist die stereotype Geschlechter-prägung bei der Berufswahl heute noch?
Sehr stark. Sehr deutlich sehen wir das noch immer bei der Entscheidung für einen Lehrberuf und bei der Entscheidung für MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Darüber ist in der jüngeren Altersgruppe noch weniger bekannt. Das versuchen wir in einem Projekt zu erkunden. Interessanterweise zeigt sich hier, dass Mädchen am Ende der 2. Klasse Volksschule starke „untypische“ Berufswünsche mitbringen. Häufiger als Burschen nennen sie einen Berufswunsch aus dem naturwissenschaftlichen Bereich und bringen auch mehr Interesse daran mit (z. B. Tiere beobachten). Buben interessieren sich zwar im Vergleich zu Mädchen gleich stark für soziale Tätigkeiten (z. B. anderen etwas erklären), äußern aber bereits in diesem frühen Alter kaum Berufswünsche in diesem Bereich.

Was sind die größten Herausforderungen für Jugendliche bei der Berufswahl?
In einem unserer Projekte mit Jugendlichen an polytechnischen Schulen bzw. in der Lehre zeigte sich, dass es Unsicherheiten über die eigenen Fähigkeiten und Interessen gibt. Davon sind öfter Mädchen betroffen. Häufig wird auch berichtet, dass Personen aus dem sozialen Umfeld ihre Berufswahl als unpassend empfinden oder sie negative Erfahrungen beim Schnuppern gesammelt haben. In diesem Projekt sehen wir, dass diese Unsicherheiten vor allem bei Jugendlichen mit untypischen Berufswünschen vorhanden sind. Als Ergebnis wechseln sehr viele dann doch zu einem typischen Beruf.

Wie können Eltern ihre Kinder bei der Findung der Interessen und des Berufs begleiten?
Indem sie den Kindern vor allem ermöglichen, eigene und gemeinsame Erfahrungen zu sammeln und sich ihrer Fähigkeiten und Interessen bewusst zu werden. Im Jugendalter ist auch Wissen über Berufe wichtig. Wir sehen, wie wenig unterschiedliche Berufe Jugendliche kennen. Familie wie Schule können einen Bei-trag dazu leisten, dass Jugendliche eine Vorstellung von beruflichen Möglichkeiten gewinnen können, um sich dann zu entscheiden.



Familienleben im Ausnahmezustand

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Berufung statt Beruf

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